8. Die Schlaranten

 

Eins der schönsten Dinge an unserer Kneipe ist die Tatsache, dass sich Alt und Jung hier gut versteht, das galt früher und ist heute auch noch so.

 

Immer schon gab es einen Stammtisch von älteren Männern,  von denen jeder einzelne ein ganz besonderes Unikum war. Früher spielten sie jeden Abend „Sibbe Schröm“, ein Kartenspiel, das heute kaum noch bekannt ist. Dann durften sie durch nichts gestört werden. Am 22.11.63, als der amerikanische Präsident John F. Kennedy getötet wurde und die halbe Welt völlig fassungslos innehielt, stürzte meine Mutter in die Kneipe und rief: „Kennedy ist bei einem Attentat getötet worden!“ Einen Augenblick herrschte Schweigen, bis der Meister (Jägers Phillip) lapidar erklärte: “Me werden all ens jeattet! Widde jetz, wer öss amm jäve?“ 

 

Am interessantesten war es jedoch, wenn sie anfingen ihre alten Geschichten zum Besten zu geben. Die logen, dass Münchhausen hätte neidisch werden können. Wenn sie ihre Kriegsgeschichten erzählten konnte man sich nur wundern, dass Deutschland zum Schluss als Verlierer daraus hervorgegangen ist.

 

„Hardts Opa“ hatte zum Beispiel mit einem Schuss zwei feindliche Soldaten getötet. Er erzählte: „ Isch soch zwei Mann op misch zokomme. Isch dach, jetz ess ett vorbei, ävver eene nemms de noch mött. Isch hann also jeschosse, un watt denks de, die veelen alle zwei öm.“

Wie sich herausstellte, hatte die Kugel dem ersten Soldaten den Kopf durchschlagen und war dem zweiten ins Herz gedrungen. 

 

„Hansens Märte“ war so tapfer, dass sein Kommandant es kaum fassen konnte. Als er ihn bei einem Angriff in vorderster Linie antraf befahl er: „Hansen, Sie schon wieder hier vorne. Nun machen Sie aber mal, dass Sie nach hinten kommen. Sie haben doch schon genug geleistet!“

 

„Wallraths Schäng“ war im Krieg Pilot und flog ab und zu auch mal über Odendorf. Um seinen Eltern einen Gruß zu senden flog er dann im Tiefflug eine Schleife über sein Elternhaus. Eines Tages kam wieder eine Maschine fast im Sturzflug über Odendorf und der alte Herr Wallrath sagte ganz stolz: „Ose Schäng  dä jöck ett avver hück wedde.“ Er lief hinaus und winkte mit beiden Armen, aber zu seinem Erstaunen eröffnete der Pilot das Feuer. Es war nicht sein Sohn sondern ein feindlicher Flieger.

 

Die „Schlarante“ gaben aber nicht nur Kriegsgeschichten zum Besten. Eigentlich hatten sie für alle Vorkommnisse des täglichen Lebens eine passende Story. Hansi hatte sich mal beim Fußballspiel eine Knöchelverletzung zugezogen. Der Knöchel schwoll ziemlich an, aber Hardts Opa meinte, das sei doch noch gar nichts. Er habe sich auch mal den Knöchel verstaucht, aber er habe den Schmerz ignoriert. „Bös opp eemal, do jeng ett PENG – un do war där Schohrehme jeplatz, su deck wor där Knöschel aanjeschwolle!“

 

Als im Fernseher zum ersten Mal ein Schispringen übertragen wurde, sahen die Alten sich das natürlich auch an, und waren ganz begeistert.  Peter Büser, dessen Frau Mari eine Schweizerin war, meinte wichtigtuerisch: „Dat kennen isch att lang. Wie isch en de Schweiz am Mari gefreit hann, do hann isch datt att jesehn. Mir soßen opp där Alm vür de Düür, do komen do att emme Männsche övver dat Dach jesrponge. Isch hann misch jeduck un jefroch watt datt wor und do säät ett Mari: Datt sinn nur die Schispringer, die spröngen he de janzen Daach.“