18. Büb das Schlitzohr
Mein Vater kann manchmal ein richtiges Schlitzohr sein, und es bereitet ihm außerordentliches Vergnügen andere Leute zu verulken. Mit dem unschuldigsten Gesicht kann er den Leuten die tollsten Lügengeschichten auftischen. Diese Erfahrung mussten wir schon als Kinder machen, wenn wir am 1. April zu Nachbarn geschickt wurden um das „rechtsrheinische Augenmaß“ auszuleihen oder in der Apotheke eine Tüte „Hau-mich-blau“ besorgen sollten. Wenn wir ihm jedes Jahr von neuem auf den Leim gingen machte das meinem Vater einen riesigen Spaß. Besonders Leute, die sich brüsteten niemals auf einen Ulk hereinzufallen konnten sicher sein, dass mein Vater sie im Visier hatte. So blieb es nicht aus, dass Onkel Karl (Karl Küpper) an einem 1.-April-Tag zum Opfer auserkoren wurde. Morgens im Frühschoppen war es soweit. Als Onkel Karl zur Tür hereinkam richtete mein Vater ihm einen angeblichen Anruf seiner Frau aus - er solle dreißig dänische Brötchen mitbringen. „Watt well dat dann mött 30 Brüütsche? Die Fraulöck werden att emme dolle!“ schimpfte Onkel Karl vor sich hin, während er zur Bäckerei gegenüber ging und den Auftrag erledigte. Alle Gäste standen grinsend an der Kneipentür, als Karl mit einer riesigen Brötchentüte nach Hause stapfte. Am nächsten Tag warteten alle gespannt auf die Reaktion, aber als er in die Kneipe kam verlor er keine Silbe über den Ulk, dem er aufgesessen war. Erst ein paar Wochen später gestand er meiner Mutter, er habe die ganze Woche dänische Brötchen essen müssen und zum Schluss seien sie so hart gewesen : „Do moht isch se zoppe!“
Ein Mal wurde mein Vater aber auch zum „Opfer“. Der „aale Ning-Nang“ (Willi Pick sen.) ein Odendorfer Original ließ sich etwas besonders Nettes einfallen, um das ganze Dorf, allen voran meinen Vater mal so richtig zu veräppeln. Im Dorf wohnt Herr Oster, ein Redakteur beim General-Anzeiger. Er ist mit einigen Prominenten befreundet, unter anderem mit Udo Jürgens. Diese Tatsache nutzte Herr Pick aus und ließ am 1. April einen Artikel in die Zeitung setzen mit folgendem Text:
Unserem Mitbürger, Herr Oster, ist es gelungen, seinen Freund Udo Jürgens zu bewegen am 1.Mai im Odendorfer Festsaal ein Konzert zu geben. Der Vorverkauf für dieses Ereignis beginnt am 1. April in der Gaststätte Schäfer.
Am 1. April pünktlich um 8.00 Uhr wurden meine Eltern durch lautes Stimmengewirr geweckt. Da standen schon die ersten Udo-Jürgens-Fans vor der Kneipentür um Konzertkarten zu erstehen. Zuerst war mein Vater ziemlich verdutzt, aber nachdem die Leute ihm von dem Artikel erzählt hatten, drehte er den Spieß allerdings um. Er schickte die Leute kurzerhand zu Picks Willi, mit der Erklärung, dem General-Anzeiger sei ein Fehler unterlaufen, der Vorverkauf sei bei der Gemeindeverwaltung.
Letztens erst hat Büb sich mit Ernst Mosdzien wieder einen Ulk erlaubt. „Eiwi“ (Willi Eichen) spielte zum letzten Mal in der Alte-Herren-Mannschaft, und da er sich viele Jahre lang für den Verein engagiert hatte, sollte dieses Spiel etwas Besonderes werden. Mosdzien, freier Mitarbeiter beim Bonner General-Anzeiger, sollte darüber berichten, aber der weigerte sich auf dem Sportplatz zu erscheinen. Kurzerhand streute mein Vater das Gerücht, dass er (mit seinen fast 70 Jahren) auch mitspielen würde. Das hatte natürlich den gewünschten Erfolg. Mosdzien stand am Spielfeldrand und wartete darauf, dass mein Vater auflief.