17. Arzneilikör
Neben unserer Kneipe befand sich früher einmal ein Bauernhof, der von „Ohm Fern“ bewirtschaftet wurde. Er war ein netter, älterer Junggeselle, der einfach mit zur Familie gehörte. Jedes Jahr im Sommer produzierte er etliche Flaschen eines leckeren Obstlikörs, von dem er behauptete der sei besser als jede Medizin. Er benötigte dazu schwarze Johannisbeeren, braunen Kandiszucker und reinen Branntwein. Das alles wurde in Flaschen gefüllt und wegen der idealen Sonneneinstrahlung zur besseren Gärung für einige Zeit in der Dachrinne postiert. Nach ein paar Wochen hatte man einen wohlschmeckenden Likör, der aber so hochprozentig war, dass man ihn nur in kleinsten Mengen genießen konnte.
Mein Bruder Wolfgang und unser Vetter Jürgen, damals etwa sechs oder sieben Jahre alt, hatten Ohm Fern bei seinen Vorbereitungen zur Herstellung seines „Arzneilikörs“ beobachtet und hätten wirklich allzu gerne gewusst, was wohl in den ominösen Flaschen war.
Kurzerhand kletterten sie in einem unbeobachteten Moment aufs Dach, entkorkten eine Flasche und nahmen jeder einen kräftigen Schluck. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. Kreidebleich schwankten die beiden Knirpse in die Kneipe und baten die Oma Schäfer jammernd um Hilfe, sowohl gegen die Übelkeit als auch gegen die drohende elterliche Strafe. „Schäfers Trinsche“ kannte zum Glück ein altes Hausmittel. Sie flößte den beiden so lange kalte Milch ein, bis sie erbrechen mussten. Aber den beiden ging es noch den ganzen Tag schlecht, und sie waren für lange Zeit vom Alkohol kuriert